Wer lange Zeit im Ausland ist, erlebt immer wieder Hochs und Tiefs. Manchmal fühlt man sich pudelwohl und manchmal vermisst man alles. Hier ein nicht ganz ernst gemeinter Artikel darüber, was mir außer dem FFF (Familie, Freundin, Freunde) hier in Kolumbien sonst noch so abgeht.
Brot.
Deutschland hat eine Brotkultur, die man so sonst nirgendwo kennt. Hier in Kolumbien hat man von gutem Brot offensichtlich noch nie gehört. Das Horrorszenario: Man läuft durch die Backwarenabteilung im Supermarkt, nimmt hin und wieder eine Tüte heraus und wirft sie fast angeekelt zurück ins Regal. Schon beim Anfassen bemerkt man, dass man das, was sich in besagter Tüte befindet, nicht wirklich als Brot bezeichnen möchte. Es ist Frisch schon weicher als so manches Kopfkissen und von Kruste ist keine Spur zu entdecken. So weit so schlecht. Hat man allerdings irgendwann akzeptiert, dass Brot hier kein krosser Leckerbissen ist, kommt das nächste Problem: Alles ist gezuckert. Manchmal ist die einem Hefezopf ähnliche Variante mit Rosinen noch die am wenigsten Süße.
Pünktlichkeit.
Ich weiß es klingt spießig und ich bin selbst alles andere als pünktlich. Während sich meine Unpünktlichkeit allerdings auf zehn bis zwanzig Minuten bei privaten Verabredungen oder in der Uni beschränkt, schafft es eine kolumbianische Bekannte von mir regelmäßig 45 Minuten zu spät zu kommen. Vielleicht ist sie auch einfach ein krasses Beispiel, doch in Kolumbien kommt man zu Verabredungen mindestens eine Stunde nach dem abgemachten Zeitpunkt. Nicht umsonst wird hier bei Verabredungen meistens gefragt: „Sieben kolumbianische oder deutsche Zeit?“ Das an sich wäre halb so wild, allerdings bin ich es nicht gewohnt, selbst auf Leute warten zu müssen.
Fahrpläne
Auch Busse hier sind so eine Sache. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal den Fahrplan der AVG vermissen würde, manchmal ist es aber doch praktisch, einfach zu wissen, dass der nächste Bus erst in 30 Minuten kommt. Zu oft steht man sich hier in Barranquilla die Beine in den Bauch, ohne zu wissen, ob überhaupt noch ein Bus kommt. Außerdem habe ich von der Uni nach Hause schon alles zwischen 35 Minuten und 1,5 Stunden gebraucht. Da denkt man tatsächlich mal mit einem weinenden Auge an Durchsagen wie: “Wegen Störungen im Betriebsablauf kommt es auf der Strecke X zu Verspätungen.” Damit kann ich immerhin arbeiten.
Das Geld.
Die einzelnen Scheine hier in Kolumbien sind nicht viel wert. Vielleicht liegt es daran, dass sie mir irgendwie durch die Finger rinnen, aber meine Prass – Gewohnheiten stehen hier nicht zur Debatte. Was mir hier immer wieder ordentlich auf den Zeiger geht, ist die Tatsache, dass kein Bus – oder Taxifahrer und auch kein Tiendabesitzer auf einen 50.000er herausgeben will. Manchmal muss man sich schon fast mit Leuten streiten, weil sie das Geld partout nicht nehmen wollen. Merke: Der Schein ist gerademal 15 € wert und ich will meistens eine Rechnung zwischen drei und fünf Euro begleichen. Nein ich habe es nicht kleiner, der Geldautomat spuckt halt verdammt nochmal diese Scheine aus! Dabei fällt mir der Kommentar eines kolumbianischen Freundes ein, als er erfahren hat, dass die Regierung jetzt 100.000er drucken will: „Was werden wohl die Taxifahrer dazu sagen?!“
Kühle Nächte.
Tja, Barranquilla liegt einfach in der Karibik, an der Küste und nicht weit entfernt vom Äquator. Die feuchte Hitze hüllt einen ständig ein und ist unerbittlich. Endlich verstehe ich, warum man in Ländern wie Kolumbien so viel Wert auf Klimaanlagen legt. Konzentriert im freien zu arbeiten ist kaum möglich und jegliche körperliche Betätigung zwischen sechs Uhr morgens und abends wird schnell zur Tortur. Nicht einmal nachts kühlt es hier wirklich ab. In der Dunkelheit sind die Temperaturen zwar erträglicher, als Kompensation für die heißen Tage reichen die nur bedingt kühleren Nächte allerdings nicht aus. Schnell vermisst man hier die lauen, deutschen Sommernächte.
Verkehrsregeln.
In Barranquilla gibt es viel zu viele Autos auf viel zu wenig Straße. Die Staus, die sich zur Rushhour durch die Stadt schieben, sind schrecklich und machen es gleichzeitig unmöglich, halbwegs pünktlich irgendwo zu sein. Doch nicht nur das, immer wieder sitze ich in einem Taxi oder einem ähnlichen Gefährt und wundere mich, warum hier nicht laufend Unfälle passieren. Auch Busfahrer überholen sich ständig gegenseitig, um mehr Kunden am Straßenrand aufzusammeln. Dabei liefern sie sich teilweise waschechte Drag – Races, denen Taxis und kleiner Fahrzeuge lieber schleunigst ausweichen sollten. Außerdem ist die Hupe hier der beste Freund des Fahrers. Macht Sinn, denn ich glaube, dass das System hier darauf basiert, kurz vor einer drohenden Kollision lautstark auf sich Aufmerksam macht.
Gesundes Essen.

Für Leute wie mich, die nur ungern und sporadisch selbst kochen, ist Kolumbien eine Wüste voller Fastfoodketten und Straßenständen. Es ist traurig, doch mittlerweile halte ich Subway schon für eine „gesunde“ Alternative zu Hamburger, Hotdog, Chuzo und Co. Die kolumbianische Küche hat einige köstliche Perversionen zu bieten, die gleichzeitig nach Übergewicht und Diabetes schreien. Bestes Beispiel: Das „Chuzo Desgranando.“ Chuzo ist normalerweise ein gegrillter Fleischspieß, auf den sich eine Kartoffel verirrt hat. Desgranando ist die Deluxe Version des Straßensnacks. Wahlweise gibt es gegrilltes Hühnchen, Butifarra, Chorizo oder alles zusammen. Serviert wird das Ganze mit Bollo (halbfeste Maismasse), geriebenem Queso Costeño, ein wenig grünem Salat und Kartoffelchips. Soweit so übel: Die Krönung eines „Desgranados“ aus Barranquilla ist allerdings die typische Soße aus Ketchup und Mayonnaise. Und wer den vollen Genuss will verfeinert mit literweise Ananassoße, kein Witz.
Distanz.
Ich weiß, mit diesem Punkt bediene ich so gut wie jedes deutsche Klischee, aber es muss einfach mal raus. Wer will und auch wer nicht will, lernt hier in Kolumbien einfach und schnell Leute kennen. Eigentlich sehe ich mich selbst auch als einen offenen Deutschen, der sich gerne mit neuen Gesichtern umgibt. In Kolumbien nimmt die Offenheit manchmal aber übertriebene Züge an. Ich erinnere mich an verschiedene Situationen, in denen ich eigentlich nur meine Ruhe wollte und trotzdem angesprochen wurde, da ich ja „so alleine beim Mittagessen sitze.“ Auch habe ich hier anscheinend ein paar Mal zu oft meine Handynummer herausgegeben. Ich finde es ja schön, wenn jemand mit mir in Kontakt bleiben möchte, aber das Foto vom abendlichen Workout, das mich per Whatsapp erreicht, hat mich wirklich gar nicht interessiert. Anderes Beispiel: Nur, weil ich mit dir ein paar Worte in einem Club gewechselt habe, sind wir noch lange nicht beste Kumpels. Ich weiß allerdings nicht was mir lieber ist: Die übertriebene Offenheit hier, oder die Deutsche Art, bei der jede neue Bekanntschaft ein seltener Schatz ist.